Geschenke in Verhandlungen – Wann sie hilfreich sind und wann sie schaden
Weihnachten steht vor der Tür, überall Geschenke, soweit das Auge reicht. Im Rahmen von Verhandlungen sollte man allerdings vorsichtig mit Geschenken umgehen. In diesem Artikel erfahren Sie, was Sie beim Schenken in Verhandlungen beachten sollten und wie Sie Geschenke in Form von Zugeständnissen ohne Gegenforderung vermeiden.
Geschenke und das Gesetz der Reziprozität
Viele Verhandler:innen machen in Verhandlungen kleinere Geschenke und Aufmerksamkeiten – allerdings nicht aus reiner Großzügigkeit, sondern aufgrund eines psychologischen Prinzips: dem Gesetz der Reziprozität. Dieses besagt, dass wir uns automatisch verpflichtet fühlen, etwas zurückzugeben, wenn uns jemand einen Gefallen tut.
Ein alltägliches Beispiel: Auf einem Wochenmarkt wird Ihnen eine kostenlose Probe einer delikaten Salami angeboten, und ehe Sie sich versehen, kaufen Sie ein großes Stück Wurst – obwohl Sie über die Feiertage in den Skiurlaub fahren und die Salami nach dieser Zeit sicher nicht mehr so ansehnlich ist. Dieser Mechanismus funktioniert auch in Verhandlungen. Kleine Gesten können das Bedürfnis wecken, sich zu revanchieren.
Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft
Kleine Geschenke und Aufmerksamkeiten wirken vor allem in Verhandlungen, bei denen bereits eine gute Beziehung zwischen den Verhandlungspartner:innen besteht. Sie können Wertschätzung zeigen, das Verhandlungsklima verbessern und Vertrauen stärken.
Doch Vorsicht: In Verhandlungen mit unbekannten Partner:innen können Geschenke leicht falsch interpretiert werden. Studien zeigen, dass sie in solchen Situationen eher nachteilig wirken und die Verhandlungsergebnisse sogar negativ beeinflussen können. Der Grund: Das Verhalten des Schenkenden wird als inkonsistent wahrgenommen – es passt nicht zur Verhandlungssituation und zur Beziehung zum Gegenüber.
Es zählt nicht der Geldwert
Geschenke müssen nicht teuer sein, um in Verhandlungen Wirkung zu zeigen. Wie Deepak Malhotra und Max H. Bazerman in ihrem Buch Negotiation Genius darlegen, können sogenannte Token Concessions – kleine symbolische Zugeständnisse – oft mehr bewirken als kostspielige Anreize.
Die Autoren zeigen in einer Studie, dass ein einfacher 1-Dollar-Schein als Geschenk die Teilnahmequote bei einer Umfrage deutlich stärker erhöht als ein versprochener 50-Dollar-Bonus. Warum? Ein kleines, garantiertes Geschenk wird nicht als Anreiz, sondern als einseitige Geste wahrgenommen, die sozialen Druck erzeugt, etwas zurückzugeben. Ein versprochener Bonus hingegen kann leichter ignoriert werden.
Um es an unserem Salami-Beispiel zu verdeutlichen: Wenn Ihnen auf dem Markt eine kostenlose Kostprobe angeboten wird (eine Token Concession), verspüren Sie den inneren Druck, sich zu revanchieren – etwa durch den Kauf der ganzen Wurst.
Auch in Verhandlungen können solche Gesten Vertrauen schaffen und die Gegenseite dazu bewegen, Zugeständnisse zu machen. Beispiele für Token Concessions sind Ihrem Gegenüber die Wahl von Zeit und Ort für ein Treffen zu überlassen, kleine Aufmerksamkeiten wie Kaffee oder Gebäck mitzubringen oder einer unkomplizierten Bitte des anderen nachzukommen. Entscheidend ist, dass die Geste authentisch wirkt und die Beziehung stärkt. Ein weiterer Vorteil: Solche symbolischen Geschenke verstoßen nur selten gegen Compliance-Richtlinien.
Gefahr: Abschlussgeschenke
Dem Verhandlungspartner oder der Verhandlungspartnerin während einer Verhandlung Geschenke in Form von Zugeständnissen ohne Gegenforderung zu machen, ist meist ein Fehler und führt in der Regel zu einer Verschlechterung von Verhandlungsergebnissen. Eine häufige Falle sind dabei vor allem Abschlussgeschenke. Sie werden oft in der letzten Phase einer Verhandlung gemacht. Geschickte Verhandler:innen schnüren hier bereits verhandelte Pakete wieder auf und versuchen noch den einen oder anderen Bonus herauszuholen. Auch wenn der Abschluss der Verhandlung bereits in Sicht ist, sollten Verhandler:innen darauf achten, konstant unter dem Prinzip Give & Take zu agieren.
Ein weiterer Aspekt, der oft übersehen wird: Wir überlegen uns viel zu selten, welche Zugeständnisse wir geben könnten und was wir dafür in einer adäquaten Höhe verlangen sollten. Dabei können Zugeständnisse Elastizität in eine Verhandlung bringen und Bewegung schaffen – gerade dort, wo Starrheit schnell zu einem „Take it or leave it“ führt und die Verhandlung frühzeitig abbricht. Spontan fallen den Menschen oft nur wenige Zugeständnisse ein, und wenn doch, gehen sie oft mit einem nicht kalkulierten oder unangemessen hohen Preis einher. Daher lohnt es sich, vor der Verhandlung gezielt darüber nachzudenken, welche kleinen, aber sinnvollen Zugeständnisse gemacht werden können, um die Gegenseite zu einer Bewegung zu motivieren.
So könnte etwa die Umwandlung eines Geschenks in ein strategisches Zugeständnis in der Verhandlungspraxis aussehen:
Angenommen, Sie verhandeln mit einem Lieferant:innen über einen langfristigen Vertrag. Statt ein kostenloses Geschenk in Form einer langen Vertragslaufzeit zu machen, könnten Sie Folgendes vorschlagen: "Wir sind bereit, uns auf einen dreijährigen Vertrag festzulegen, wenn Sie im Gegenzug eine Preisreduzierung von 5% für das erste Jahr anbieten. Ab dem zweiten Jahr würden wir dann zum regulären Preis zurückkehren, aber mit der Option auf Mengenrabatte bei steigenden Bestellungen."
In diesem konkreten Beispiel ist es Ihnen gelungen, eine Win-Win-Situation zu schaffen, indem Sie das Zugeständnis der längeren Vertragslaufzeit an Preisreduktionen und Mengenrabatte koppeln. Gute Verhandler:innen schaffen es, regelmäßig für sie selbst unbedeutende Zugeständnisse zu machen, dafür aber bedeutsame Gegenforderungen an diese „Geschenke“ zu koppeln. Ganz nach dem chinesischen Sprichwort „Einen (wertlosen) Ziegelstein hinwerfen, um einen (wertvollen) Jadestein anzulocken.“ Jedes Zugeständnis sollte immer mit einer Gegenforderung verbunden sein. Dies sichert Ihnen nicht nur bessere Ergebnisse, sondern zeigt auch, dass Sie Ihre Interessen klar vertreten.
Fazit: Geschenke als Werkzeug in Verhandlungen
Geschenke können in Verhandlungen sowohl Chancen als auch Risiken mit sich bringen. Der Schlüssel liegt im bewussten und strategischen Einsatz:
- Nutzen Sie kleine Geschenke und Aufmerksamkeiten, um bestehende Beziehungen zu stärken. Dabei ist oft nicht der Geldwert, sondern der symbolische Wert eines Geschenks oder einer Aufmerksamkeit entscheidend.
- Vermeiden Sie Geschenke in Verhandlungen mit unbekannten Partner:innen. Studien belegen, dass dieses inkonsistente Verhalten Irritation auslöst und sich negativ auf das entgegengebrachte Vertrauen auswirkt.
- Handeln Sie strategisch, wandeln Sie kostenlose Zugeständnisse (Geschenke) in strategische Zugeständnisse um. Machen Sie keine kostenlosen Zugeständnisse ohne eine adäquate Gegenforderung.
Wenn Sie lernen möchten, wie Sie Geschenke und andere psychologische Prinzipien strategisch in Ihren Verhandlungen einsetzen können, besuchen Sie eines unserer Verhandlungstrainings. Gemeinsam machen wir aus kleinen Geschenken große Erfolge.
Autor:innen: Das En GardE Verhandlungsteam