Was Sie bei Agenten-
verhandlungen beachten sollten

In vielen Fällen ist man selbst auf einem Gebiet nicht der/die absolute Expert:in bzw. und es gibt im eigenen Unternehmen oder auch extern Personen, die von der Materie deutlich mehr verstehen als Sie selbst. In diesem Fall sollten Sie auf Agentinnen und Agenten setzen, die die Verhandlungen an Ihrer Stelle führen. In diesem Artikel lesen Sie, was Sie dabei unbedingt beachten sollten.

Wann kommen Agentinnen und Agenten zum Einsatz?

Denken Sie nur an einen Gerichtsprozess oder eine Verhandlung, in der es um eine sehr spezifische Materie geht und die einiges an Fachwissen abverlangt. In diesen Fällen ist es eine kluge Entscheidung, sich nicht selbst an den Verhandlungstisch zu setzen, sondern einen sogenannten Agenten zu beauftragen, der die Verhandlungen für Sie leitet oder zur Gänze durchführt. Das bedeutet, Sie sind ein Prinzipal (Auftraggeberin oder Auftraggeber), der einen Agenten (Auftragnehmerin oder Auftragnehmer) mit einer spezifischen Verhandlung beauftragt.

 

Sie können nicht all Ihre Verhandlungen selbst führen

Agent:innen sind aber nicht nur in besonders komplexen wirtschaftlichen Situationen gefordert. Gerade in größeren Unternehmen ist es an der Tagesordnung, dass Geschäftsführer:innen nicht an allen Verhandlungen, die täglich geführt werden, selbst teilnehmen, sondern Agent:innen (in den meisten Fällen Arbeitnehmende) damit beauftragen, die Verhandlungen in ihrem Sinne zu führen.

Doch auch wenn Agent:innen in bestimmten Kontexten unentbehrlich sind, kann ihre Rolle für den Auftraggebenden ein wirtschaftliches Risiko darstellen, wie die Principal-Agent-Theory aufzeigt.

Was ist die Principal-Agent Theory?

Kurzgefasst: Die Theorie wurde in den 1970er-Jahren von einer Reihe von Wirtschaftswissenschaftlern und Theoretikern entwickelt und beschreibt die Fallstricke, die häufig auftreten, wenn Agent:innen eine Verhandlung vertreten. Doch warum können wir den/die beauftragte/n Agent:in nicht immer vollends vertrauen? Laut Pricipal Agent Theory liegt das vor allem an der ungleichen Verteilung von Informationen.

Ungleiche Informationen

Denken Sie einmal an einen Kauf eines Gebrauchtwagens: Hier herrscht eine klare Ungleichverteilung der verfügbaren Informationen. Dem Käufer/der Käuferin, der in diesem Fall der/die Prinzipal:in ist, stehen deutlich weniger Informationen zur Verfügung als dem/der Agent:in, der/die den Wagen verkauft und genau über die Existenz etwaiger versteckter Mängel Bescheid weiß. Der Prinzipal oder die Prinzipalin ist in diesem Fall auf die Fairness und die moralische Integrität des/der Agent:in angewiesen. Auch bei geschäftlichen Verhandlungen haben die beauftragten Agent:innen in aller Regel einen klaren Informationsvorsprung gegenüber ihren Auftraggebenden.

Ungleiche Interessen

Wenn dazu auch noch unterschiedliche Interessen kommen, tendieren Agent:innen häufig dazu, ihre eigenen Ziele und Interessen über die ihres Auftraggebers oder ihrer Auftraggeberin zu stellen. Oft haben Agent:innen einen anderen Anteil am Ergebnis oder erhalten andere Belohnungen als die Prinzipal:innen.

Bei einem Immobiliengeschäft zum Beispiel hat ein/ Makler:in der/die für einen Prinzipal eine Wohnung kaufen soll, wenig Interesse daran, den geringsten Preis für ein Haus zu erzielen. Je höher der Verkaufspreis ist, desto höher ist auch seine Provision. Sein/Ihr finanzielles Eigeninteresse steht in Konflikt mit dem finanziellen Interesse des Prinzipals/der Prinzipalin.

Eine Studie der Professoren Steven D. Levitt und Chad Syverson von der University of Chicago über 10.000 Hausverkäufe ergab, dass Immobilienmakler:innen Häuser, die sich in eigenem Besitz befinden für 3,7% teurer verkaufen und ca. 10 Tage länger auf dem Markt gehalten werden als Häuser und Wohnungen, die sich im Besitz des Klientel befanden.

Informationsasymmetrie und der Anreiz den eigenen wirtschaftlichen Gewinn zu maximieren, führen also zu Verzerrungen.

Interne Interessenskonflikte

Informationsasymmetrie, ungleiche Anreize und Interessenkonflikte können genauso innerhalb eines Unternehmens auftreten. Die Abteilung, die eine Verhandlung leitet, vertritt nicht immer genau die gleichen Interessen der Geschäftsführung oder anderer Stakeholder eines Unternehmens. Man verhandelt schließlich nicht mit einem Unternehmen, sondern mit Menschen, die alle ihre individuellen Interessen, Wünsche und Anreize haben und die manchmal anders agieren, als es das Unternehmen tun würde.

Nicht immer, aber in den meisten Fällen agieren diese Agent:innen vorrangig in ihrem eigenen Interesse. Sie geben zum Beispiel eher grünes Licht für ein großes Projekt, das ihnen persönlich mehr Autorität oder Prestige verschafft, anstatt für Projekte einzutreten, die für das gesamte Unternehmen und alle Stakeholder:innen in der Gesamtbetrachtung nützlich wären.

Wie man interne Interessenskonflikte beim Agenteneinsatz vermeidet

Auch wenn man bei Verhandlungen durch Agent:innen häufig an Verhandlungen durch Third-Party-Agent:innen denkt, so kommt es im Rahmen geschäftlicher Verhandlungen doch wesentlich häufiger zur Delegierung von Verhandlungskompetenzen an interne Agent:innen, also schlussendlich Ihre Mitarbeiter:innen. Folgende Aspekte sollten Sie unbedingt beachten, wenn Sie Agent:innen innerhalb Ihres eigenen Unternehmens einsetzen oder mit diesen arbeiten müssen:

Verhandeln Sie Ihre eigene Rolle

Legen Sie in Ihren Vorgesprächen möglichst genau Ihre Rolle in den Verhandlungen fest. Sorgen Sie dafür, dass Ihnen Ihr Agent/Ihre Agentin alle relevanten Informationen auf direktem Wege zukommen lässt. Stellen Sie sicher, dass Sie den Überblick wahren, auch wenn Sie nicht immer live dabei sind. Verhindern Sie Informationsungleichheit zwischen Ihnen und dem/der Agent:in. Bereiten Sie sich mit IhremIhrer Agent:in, der in dem Fall auch Ihr/e Kolleg:in ist, gemeinsam auf die Verhandlung vor. Auch wenn Sie nicht selbst teilnehmen, sollten Sie Verantwortlichkeiten, Rollen und Rahmenbedingungen im Vorfeld genau abklären. So verringern Sie aktiv den Spielraum für Verzerrungen der Verhandlungsergebnisse, die durch Eigeninteressen zu Stande gekommen sind.

Analysieren Sie den Verhandlungsstil Ihres Agenten

Holen Sie im Vorfeld Informationen darüber ein, ob es sich bei Ihrem/Ihrer internen Agent:in um eine/n kompetitive/n oder kooperative/n Verhandler:in  handelt. Dadurch wissen Sie bereits im Vorfeld im Rahmen der Vorbereitung wie Sie ihre gemeinsame Verhandlungsstrategie ausrichten müssen, um eventuelle Lücken, die durch den Verhandlungsstil entstehen zu kompensieren.

Sorgen Sie für eine Übereinstimmung von Zielen und Interessen

Nicht immer stimmen die Ziele, die ein/e interne/r Agent:in bekommt mit den individuellen Interessen der/des Akteur:in überein. Wenn der/die Agent:in etwa durch ein Verhandlungsergebnis deutlich mehr Stress und ein höheres Arbeitspensum bekommen würde, als ihm/ihr der Abschluss des Deals beruflich nutzen würde, so wird er vermutlich ein Scheitern der Verhandlungen eher in Kauf nehmen. Behalten Sie immer die individuellen Interessen und Bedürfnisse Ihrer internen Agent:innen im Auge. Machen Sie nicht den gängigen Fehler Unternehmensinteressen mit den individuellen Interessen der einzelnen Akteur:innen gleichzusetzen. Auch hier gilt: Klären Sie die Interessen und Bedürfnisse Ihrer/Ihres Agent:in im Vorfeld und steuern Sie gegebenenfalls durch Anreize dagegen.

Autor:innen: Das En GardE Verhandlungsteam