Zeit als Erfolgsfaktor in Verhandlungen

Zeit ist in doppelter Hinsicht ein relevanter Faktor für Verhandlungen. Zum einen sollten sich Verhandler:innen ausreichend Zeit für Ihre Vorbereitung nehmen, zum anderen ist der richtige Zeitpunkt für die Anwendung von Verhandlungsstrategien und -Tools entscheidend.

Zeit für die Vorbereitung

Wie viel Zeit haben Sie, um sich auf eine wichtige Verhandlung vorzubereiten? Immer zu wenig? So fühlt es sich für die meisten an. Aber gerade hier liegt einer der Erfolgsfaktoren für gelungene Verhandlungen. Zeit und Engagement, die Sie in die Vorbereitung investieren, kommen Ihnen am Verhandlungstisch vielfach zugute. Sie erreichen wesentlich bessere Ergebnisse, welche die investierte Zeit letztendlich äußerst wertvoll erscheinen lassen. Aber warum ist das so? Wer gut vorbereitet ist, strahlt Ruhe aus, kennt die eigenen Must-Haves und Nices-to-haves und weiß über Bedürfnisse und Interessen der Gegenseite Bescheid.

Zeitmangel als Stressfaktor

Jeder Elternteil weiß genau, wie schlecht man verhandelt, wenn die Zeit drängt. Kinder wissen immer, wenn man es eilig hat und schnell aus dem Haus muss. Sie können jede Aufgabe, die sie erledigen müssen, um das Haus zu verlassen - sich anziehen, Zähne putzen, Haare bürsten, frühstücken, Mäntel und Schuhe anziehen - in eine separate und frustrierende Verhandlung verwandeln.

Nicht nur Kinder, auch geschickte Verhandler:innen bemerken es außerdem sofort, wenn die Zeit drängt. Wenig Zeit verursacht Stress, Entscheidungen werden vorschnell gefällt. Wer schlecht vorbereitet ist, ist oft mit sich selbst und den eigenen Emotionen beschäftigt. Wer dahingegen gut vorbereitet ist, kennt die eigenen Ziele in- und auswendig und kann sich vollkommend darauf konzentrieren, kreative Wege aus Patt-Situationen zu finden und Verhandlungswerte zu schaffen.

Der negative Effekt von Zeitdruck in Verhandlungen wird auch in mehreren Studien ersichtlich: Zeitdruck führt zu überhasteten Zugeständnissen (Stuhlmacher et al. 1998), schlechteren gemeinsamen Verhandlungsergebnissen, und kann zudem  in frühen Verhandlungsphasen zu „Verhandlungssackgassen“ führen (Harinck & Dreu 2004). Wenig Zeitdruck hingegen führt eher zu nachhaltigen Verhandlungsergebnissen und Win-Win-Konstellationen, die allen Beteiligten nützen (Pinfari 2011). Insgesamt kann gesagt werden, dass Zeitdruck die Verhandlungsergebnisse zwar beschleunigen, aber nur in Ausnahmefällen (ausschließlich distributive Verhandlungen) besser machen kann.

Der richtige Zeitpunkt entscheidet

Der Zeitfaktor spielt auch während der Verhandlung eine große Rolle. Wie viel Zeit nehme ich mir, um die Verhandlung konstruktiv zu starten? Wann stelle ich wichtige Fragen? Zu welchem Zeitpunkt platziere ich meine besten Argumente? Wann muss ich zuhören und schweigen, statt mich „um Kopf und Kragen“ zu reden? Hier braucht es eine klare Strategie, welche Sie ebenso in der Vorbereitung festlegen sollten. Wenn Sie beispielweise zum falschen Zeitpunkt mit Ihren Argumenten und Vorschlägen „herausplatzen, kann es passieren, dass die Gegenseite Ihre gut formulierten Beiträge gar nicht hört. Oder noch schlimmer: in den falschen Hals bekommt.

Das richtige Timing, um den Anker auszuwerfen

Die Timing-Frage spielt gerade am Beginn der Vorschlagsphase  von Verhandlungen eine zentrale Rolle. Sie haben sicher schon vom berühmt-berüchtigten Anker-Effekt gehört: Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass es vor allem bei distributiven Verhandlungen mit einem relativ kleinen integrativen Anteil einen Vorteil bringt, zuerst ein Angebot zu nennen. Zuletzt konnten dies Maaravi et al. im Jahr 2023 nachweisen.

Das eigene Zeitkonzept beibehalten…und dennoch dynamisch bleiben

Was können Sie also tun, um Verhandlungen in Ihrem individuellen Tempo zu gestalten?

  1. Seien Sie sich zu Beginn und am Ende einer Verhandlung besonders bewusst, dass Sie Gefahr laufen von sozialpsychologischen Effekten, wie etwa dem Anker-Effekt beeinflusst zu werden. Thematisieren Sie (vor allem absurde) Ankergebote offen.
  2. Planen Sie sorgfältig Ihre Gesprächsstruktur und halten Sie diese auch während der Verhandlung ein. Es kann im Gespräch passieren, dass Sie durch die Gegenseite zur Eile, zu raschen Zugeständnisse oder vorschnellen Abschlüssen verleitet werden.
  3. Seien Sie sich bewusst, dass Sie in dieser unkontrollierten Geschwindigkeit nicht die besten Resultate erreichen. Daher unser Appell an Sie: Bleiben Sie bewusst in Ihrem Zeitkonzept, auch wenn die andere Seite Druck macht.
  4. Das heißt jedoch nicht, dass Sie immer starr am vorbereiteten Zeitplan festhalten müssen – im Bedarfsfall können Sie sich an die jeweilige Situation anpassen und einen schnelleren Schritt machen oder eben bewusst das Tempo herausnehmen.
  5. Auch wann es Zeit für den Abschluss ist, sollten Sie vorab gut planen und im Gespräch die eindeutigen Signale der Gegenseite, die für Abschlussbereitschaft sprechen, aufmerksam wahrnehmen.

Die En GardE Methode

Den Zeitfaktor in Verhandlungen konstruktiv einzusetzen, erfordert Wissen und Übung. Beides können Sie in unseren Seminaren zur Verhandlungstechnik erlernen und intensiv üben. Unser VerhandlungsChrono, in dem das Wort Zeit verpackt ist, wird Sie dabei maßgeblich unterstützen.

Autor:innen: Christine Knotek & Lucas Deimann