Verhandlungen zwischen
zwei Welten
In unserem letzten Blogartikel haben wir uns bereits mit Priming-Effekten in Verhandlungen in Form des Ankereffekts befasst. In unserem neuesten Blogartikel geht es um Primingeffekte durch Normsysteme und deren Auswirkungen auf die Ergebnisse geschäftlicher Verhandlungen.
Priming, was ist das überhaupt?
Egal ob es sich um eine bestimmte Farbe, einen Geruch, ein bestimmtes Wording oder eine Verhaltensweise handelt. All diese Faktoren können eine suggestive Wirkung entfalten. Wenn Sie dies auch tatsächlich tun und unser Verhalten in eine bestimmte Richtung lenken und beeinflussen, spricht man in der Psychologie von Priming. Die Werbewirtschaft macht sich dieses Phänomen zu Nutze und versucht die Kaufentscheidungen von Kundinnen und Kunden durch bestimmte Reize zu beeinflussen. Im Rahmen von Verhandlungen finden Primingeffekte meist auf unbewusster Ebene statt.
Ein altbekanntes Phänomen
Zuerst wurden Primingeffekte empirisch von Amos Tversky und Daniel Kahnemann festgestellt. In den 1970er Jahren untersuchten die beiden Psychologen den Einfluss von Primes auf die Entscheidungsfindung. Im Jahr 2002 erhielten sie den Wirtschaftsnobelpreis, da sie beweisen konnten, dass Entscheidungen im wirtschaftlichen Kontext meist nicht von rationalen Kriterien abhingen. Bestimmte Primes, in der Form von Ankerinformationen nahmen maßgeblichen Einfluss auf das Urteilsvermögen der Teilnehmenden. In verschiedenen Studien kamen die beiden zu dem Ergebnis, dass Ankerinformationen maßgeblichen Einfluss auf die Einschätzung der Personen nahmen.
Zwei Normwelten
Neben dem in Verhandlerkreisen bekannten Konzept des Ankereffektes nehmen noch weitere kognitive Konzepte einen unbewussten Einfluss auf Verhandlungsergebnisse. Im Rahmen einer geschäftlichen Verhandlung kommt es nämlich regelmäßig zu Vermischungen zweier unterschiedlicher Normen: Der sozialen Norm und der Marktnorm. Deren Auswirkungen auf wirtschaftliche Entscheidungen wurden erstmals von James Heymann und Dan Ariely beschrieben.
Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft
Sie kennen das sicher: Nach einem intensiven Verhandlungsvormittag schlägt Ihr Gegenüber einen Tapetenwechsel vor. Sie stimmen zu, gehen in ein schickes Restaurant und werden zum Essen eingeladen, gerade in dem Moment, als Sie eigentlich selbst die Rechnung begleichen wollten. Als Sie von der Toilette zurückkehren, liegt ein verpackter Gegenstand auf Ihrem Platz.
Eine kleine Aufmerksamkeit Ihres Verhandlungspartners. Beim anschließenden Kaffee wird nicht mehr nur Small Talk geführt, es geht bereits niederschwellig um die Verteilung der geschaffenen Verhandlungswerte, die vormittags erarbeitet wurden. Natürlich können Sie Ihrem Gegenüber noch in diesen paar Punkten entgegenkommen.
Wenn die Beziehung zu Ihrem Gegenüber bereits einige Jahre zurückreicht und besonders positiv geprägt ist, kann man dieses Verhalten Ihres Verhandlungspartners als konsistent bezeichnen. Es passt gut zur Verhandlungssituation. Andernfalls ist es vermutlich ein bewusster Versuch, die Verhandlungen in die sogenannte „Soziale Norm“ zu verlagern. Der Einfluss der ungezwungenen und familiären Umgebung führt auf unbewusster Ebene dazu, dass Sie zu mehr Zugeständnissen bereit sind als sonst üblich. Man spricht in diesem Fall von Priming durch Normenwelten.
Die Leistungsbereitschaft macht den Unterschied
Die beiden Normwelten unterscheiden sich vor allem in Bezug auf Leistungsbereitschaft sowie der Bereitschaft, Zugeständnisse zu machen. Während in der Welt der sozialen Norm nicht immer Geld als Gegenleistung erwartet wird, besteht im Bereich der Marktnormen immer ein direkter Zusammenhang zwischen Leistungserbringung und Entlohnung.
Manche Unternehmen „fürchten“ sich vor der Macht der sozialen Normwelt. Das ist auch der Grund, warum in manchen Sektoren, wie etwa der Automotive-Branche mindestens alle 24 Monate die Rollen der Einkäufer getauscht werden. Sie sollen keine zu innige emotionale Beziehung zu ihrem Gegenüber aufbauen, zu große Zugeständnisse sollen so vermieden werden.
Wir würden eine Geldleistung in der Welt der sozialen Norm sogar als anstößig empfinden und sind nicht selten beleidigt, wenn wir dafür bezahlt werden. Denken Sie einmal darüber nach, wie Ihr Partner oder Ihre Partnerin reagieren würde, wenn Sie ihm oder ihr nach einer gemeinsamen Nacht einen Geldschein für die erfolgte Leistung zustecken würden. Vermutlich wird es keine Dankbarkeit sein, sondern ungläubige Blicke und Schimpfworte, die Ihnen um die Ohren fliegen.
Was kann man aus dieser Erkenntnis für Verhandlungen mitnehmen?
Bei geschäftlichen Verhandlungen kommt es zu einer Vermischung der sozialen Norm und der Marktnorm. Monetäre Leistungen spielen hier eine zentrale Rolle. Aber Verhandlungen beinhalten immer auch ein gewisses Maß an zwischenmenschlicher Interaktion und gerade in integrativen Verhandlungsphasen, in denen es darum geht, Handlungsspielräume zu erweitern und Werte zu schaffen, sind nicht ausschließlich Marktnormen und Give & Take Prinzipien an der Tagesordnung.
Eine familiäre Atmosphäre und ein hohes Maß an Gastfreundschaft führt in Verhandlungen dazu, dass ungeahnte Handlungsspielräume und Werte geschaffen werden. Diese Atmosphäre wird aber auf der anderen Seite auch als Prime eingesetzt, um den Verhandlungspartner zu Zugeständnissen zu bewegen oder es ihn als unangenehm empfinden zu lassen, wenn er (monetäre) Gegenleistungen erwartet. Aber auch auf unbewusster Ebene „primed“ die soziale Norm den Ausgang der Verhandlungen. Je länger man seinen Verhandlungspartner kennt, desto eher ist man geneigt, in soziale Normen zu wechseln und Zugeständnisse zu machen. Bei einmaligen Verhandlungen ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Verhandlerinnen und Verhandler sich im Bereich der Marktnormen bewegen und alle Zugeständnisse monetär bewerten. Menschen tendieren eher dazu, sich hier in Marktnormen zu bewegen und sind weniger geneigt, Zugeständnisse ohne Gegenleistung zu machen.
Fazit – konsistentes Verhalten als Schlüssel
Primingeffekte haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf menschliches Verhalten und somit auch auf geschäftliche Verhandlungen. Häufig sind uns die Auswirkungen von Primingeffekten auf unsere Verhaltensweisen gar nicht bewusst.
Primingeffekte sind wirkungsvolle Werkzeuge in Verhandlungen, aber sie sollten mit Bedacht eingesetzt werden: Plumpe Beeinflussungsversuche durch Primingreize, die gar nicht zur Art der Verhandlung oder zum Beziehungsstatus der Verhandlungspartner passen, werden in vielen Fällen als Manipulationsversuche enttarnt. Die kurzfristigen Erfolge, die durch diese Primes erzielt werden, werden von langfristigen Schäden der Beziehungsebene zum Verhandlungspartner begleitet.
Sorgen Sie für eine familiäre und wohlige Atmosphäre mit den Verhandlungspartnern, mit denen Sie langfristig Geschäfte machen wollen. Kreieren Sie keine künstliche Atmosphäre bei einmaligen Verhandlungen oder bei Verhandlungen mit Partnern, mit denen sie aus persönlichen oder ökonomischen Gründen nicht langfristig zusammenarbeiten wollen. Der Einsatz geeigneter Primes hängt in einem hohen Maße von Ihrer Beziehung zu Ihrem Verhandlungspartner ab.
Autoren: Das En GardE Verhandlungsteam