Was uns treibt

Verhandlungen sind nicht immer zu 100 % rational. Menschen treffen Entscheidungen auch auf der Basis von nicht offen kommunizierten Triebkräften, die nicht immer vorgegebenen Unternehmenszielen entsprechen. Mit welchen Strategien Sie diese Triebkräfte offenbaren und erkennen können, lesen Sie hier.

Der menschliche Verhandlungsfaktor

Die meisten Menschen denken beim Thema „Verhandlung“ an eine konfrontative Tischordnung und Menschen, die sich im klassischen Business Dresscode gegenübersitzen und ausschließlich rationale Ziele wie etwa Gewinnmaximierung verfolgen. Doch nahezu alle Prozesse unseres menschlichen Zusammenlebens und vor allem im Bereich der Wirtschaft, in denen es um Austausch, Verteilung und Interaktion geht, sind Aushandlungsprozesse zwischen Menschen und der sozialen Umwelt, in der sie leben. Auch wenn wir diese Prozesse nicht immer als „Verhandlung“ betiteln, so handelt es sich auch bei alltäglichen Interaktionen wie Besprechungen, Abstimmungen und Diskussionen um Formen von Verhandlungen. Es geht Menschen am Ende immer darum, ihre Interessen und Bedürfnisse mit ihrer Umwelt zu synchronisieren. Das bringt einen menschlichen Faktor und hinter formulierten Zielen und Absichten liegende Triebkräfte in jede Verhandlung. Das gilt auch oder gerade für den Bereich der klassischen Verhandlungen.

individuelle Ziele ≠ Ziele des Unternehmens

Haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt, ob Ihr Gegenüber in seiner Funktion und Rolle die gleichen Ziele verfolgt wie als individuelle Persönlichkeit? Oder noch einen Schritt weiter, ob Ihr Gegenüber die gleichen Ziele verfolgt als seine Vorgesetzte oder die Unternehmensleitung? Nur allzu oft nehmen wir unser Gegenüber am Verhandlungstisch als eine homogen auftretende Einheit wahr, die nur ein abgestimmtes und in sich konsistentes Interesse verfolgt. Doch dieser Glaube hält der Realität nicht stand. Wir alle sind Menschen und haben aus diesem Grund auch mehrdimensionale und vielschichtige Interessen.

Die Vorbereitung auf eine Verhandlung bedeutet also nicht nur, sich auf die als wahrscheinlich geltenden Ziele und Perspektiven des anderen Unternehmens vorzubereiten. Dieser Ansatz greift zu kurz: Will man die Entscheidungen von Menschen verstehen, ist es notwendig, ihren Antrieb zu verstehen. Menschen treffen nicht immer rationale Entscheidungen, die zu 100 % im Sinne des Unternehmens sind, für die sie tätig sind. Die Triebkräfte, die Menschen zu Entscheidungen bewegen, können persönlich und emotional geprägt sein: Wird etwa durch eine in der Verhandlung erzielte Einigung ein ungeliebter und destruktiver Vorgesetzter gepusht? Braucht mein Gegenüber den Verhandlungserfolg für seinen persönlichen Gewinn? Muss mein Gegenüber Kündigungen aussprechen, wenn es zu keiner Einigung kommt?

Auf der Suche nach der treibenden Kraft

Diese nicht ausgesprochenen persönlichen und emotionalen Triebkräfte sind Gründe dafür, warum es keine Seltenheit ist, dass Verhandlungen mitunter irrational wirken können. Hier darf nicht der Fehler begangen werden zu glauben, dass das Gegenüber aufgrund einer persönlichen Abneigung oder anderer irrationaler Elemente handelt. Vielmehr sollte die Frage gestellt werden, welche Interessen, Bedürfnisse und Triebkräfte hinter dem Handeln des Gegenübers stehen, die unerkannt geblieben sind.

nachhaltig Verhandeln durch „klären“ und „vorbereiten“

Natürlich ist es unrealistisch, dass einem der Verhandlungspartner am Beginn jeder Verhandlung sein Herz ausschüttet und detailliert über seine Beziehungen innerhalb und außerhalb des eigenen Unternehmens plaudert. Aber eine gute Vorbereitung und eine effektive Klärungsphase kann neue Perspektiven offenlegen, die wiederum Missverständnisse aus dem Weg räumt und verborgene Triebkräfte ans Tageslicht bringt. Klären bedeutet aktives Zuhören, was wiederum mehr bedeutet als nur darauf zu warten, bis der Partner aufhört zu sprechen. Gute Vorbereitung bedeutet auch, immer ein offenes Ohr und Auge bei Ihrem Gegenüber zu haben. Den Verhandlungspartner verstehen zu wollen und so immer mehr darüber zu lernen, was unsere Mitmenschen antreibt, ist der Schlüssel, gemeinsame Werte zu schaffen und nachhaltige Lösungen zu erarbeiten, die über den kurzfristigen Verhandlungserfolg hinausgehen.

Autor: Bernd Schnabl